3 Tipps um schneller Patienten:innen für Ihre klinische Studie zu rekrutieren
DATUM
06. Juli 2022
AUTOR
Dr. Tobias Kruse I Trials24
Gastbeitrag von Dr. Tobias Kruse, Trials24 GmbH, München
Wenn Sie eine klinische Studie planen, ist die Patientenrekrutierung wahrscheinlich eine Ihrer höchsten Prioritäten. Doch viele Sponsoren und CROs verlassen sich bei der Patientenrekrutierung noch immer ausschließlich auf die Studienzentren. Das kann ein erhebliches Risiko für das Erreichen Ihrer Ziele bei der Patientenrekrutierung darstellen! Die heutigen klinischen Studienprotokolle werden immer komplexer, die klinische Studienlandschaft wird immer wettbewerbsintensiver und Patient:innen stehen vielfältige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Dadurch wird es für CROs, Prüfzentren und Ärzt:innen schwierig den Überblick zu behalten, welche Patient:innen für ihre Studie infrage kommen und schließlich auch teilnehmen möchten. Dadurch sind Machbarkeitsstudien selten genau, die Prüfzentren halten ihre Prognosen nicht ein und Ihre Rekrutierungsziele entfernen sich immer weiter von der Realität. Es besteht die Gefahr, dass sich Ihre Studie verzögert. Und damit wären Sie nicht allein: Daten zeigen, dass die Patientenrekrutierung die Achillesferse klinischer Studien ist, bei 50-80% der Studien entstehen erhebliche Verzögerungen.¹
Doch was ist die Alternative? Ganz einfach: Sie beschleunigen den Prozess der Patientenrekrutierung schon ab dem Beginn Ihrer Studie. In diesem Artikel zeige ich Ihnen, wie Sie Ihre klinischen Prüfzentren mit dezentraler Patientenrekrutierung unterstützen und Ihre Rekrutierungsziele erreichen können. Erfahren Sie mehr zu folgenden Themen:
- Warum die Patientenrekrutierung für Studien fundamental wichtig ist
- Was dezentrale Patientenrekrutierung bedeutet und wie Sie damit Ihre Rekrutierung beschleunigen können
- Wie spezialisierte Dienstleister für die Patientenrekrutierung Sie dabei unterstützen können, Ihre Rekrutierungsziele zu erreichen.
„Lasagna’s Law”: Warum die Patientenrekrutierung für Studien fundamental wichtig ist
In den 1970er Jahren beobachtete der US-amerikanische Arzt Louis Lasagna das folgende Phänomen: Die Zahl der für eine klinische Studie infrage kommenden Patient:innen sinkt während der Rekrutierung um 90%, kehrt jedoch kurz vor Abschluss der Studie wieder auf den Normalwert zurück.² Dieses „Lasagna’s Law” ist ein zentrales Thema bei der Studienplanung und einer der Hauptgründe dafür, dass viele klinische Prüfzentren bei der Rekrutierung nicht erfolgreich sind.
Es gibt verschiedene Gründe für dieses Problem bei der Rekrutierung. Eine Herausforderung besteht darin, richtig abzuschätzen, wie viele Teilnehmer:innen aus der gewünschten Patientenpopulation rekrutiert werden können. Dies ist besonders wichtig für Studien seltener Krankheiten oder Krebs: Nur weil es begrenzte Behandlungsmöglichkeiten gibt, heißt das nicht, dass jeder, der von der Krankheit betroffen ist, automatisch Interesse an einer passenden klinischen Studie hat. Viele Patient:innen zögern aus verschiedenen Gründen an klinischen Studien teilzunehmen, z.B.:
1) Die Angst, ein Placebo oder eine Scheinbehandlung zu erhalten
2) Die mögliche Anzahl und lange Dauer der medizinischen Untersuchungen
3) Zu viele Fahrten zum Studienzentrum.
Ein weiteres häufiges Problem ist das Studienprotokoll. Schränken Ihre Ein- und Ausschlusskriterien die Eignung der Patient:innen zu sehr ein? Sind diese absolut notwendig? Schon ein einziges überspezifiziertes Einschlusskriterium kann dazu führen, dass sich die Zahl Ihrer Ziel-Patient:innen um 50% oder mehr verringert.
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Auch wenn es schwierig ist, den genauen Grund für die Verzögerung bei der Patientenrekrutierung auszumachen, können die Auswirkungen des „Lasagna’s Law” katastrophal sein: Die meisten Studien werden am Ende um die doppelte Zeit nach hinten verschoben. Das ist nicht nur frustrierend, sondern kann auch über den Erfolg Ihrer klinischen Studie entscheiden.
Was können Sie also tun, um die Auswirkungen zu minimieren und Ihre Rekrutierungsziele von Anfang an zu erreichen?
Wie die dezentrale Patientenrekrutierung Ihre Rekrutierung beschleunigen kann
Die Lösung ist eigentlich ganz einfach: Dezentralisieren Sie Ihre Patientenrekrutierung. Klingt gut, aber was bedeutet das eigentlich? Dezentrale Patientenrekrutierung bedeutet, Patient:innen zu finden, die nicht in Ihrem klinischen Prüfzentrum registriert sind, aber in der Nähe wohnen und sie zum Screening zu bringen. Dezentrale Patientenrekrutierung bedeutet, sich nicht nur auf die Prüfzentren als einzige Quelle für die Patientenrekrutierung zu verlassen. Viele Patient:innen, vor allem chronische oder schwer kranke, sind an neuen Behandlungen interessiert und daher offen für die Teilnahme an einer klinischen Studie. Sie sind oft in Netzwerken und Gruppen online organisiert, z.B. in Facebook-Gruppen oder speziellen Patientengemeinschaften. Indem Sie sich mit Ihrer klinischen Studie direkt an diese Gruppen und Organisationen wenden, erweitern Sie das Spektrum der infrage kommenden Patient:innen.
Traditionell gehen CROs und klinische Prüfzentren dieses Problem durch die Veröffentlichung von Printanzeigen an. Dazu gehören Zeitungsanzeigen, Plakate in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Flyer in Wartezimmern von Praxen. Die Effizienz von Printmedien nimmt jedoch drastisch ab. In einer Studie wurden die Reaktionen auf Kleinanzeigen in Lokalzeitungen mit denselben Anzeigen online auf Craigslist verglichen. Die Autor:innen fanden heraus, dass die Antwortquote der Kleinanzeigen um 20% bei den Nutzer:innen sank, die dieselbe Anzeige auch online fanden.³ Heutzutage nutzen die meisten Patient:innen das Internet, um sich zu informieren. Wenn Sie also Patient:innen direkt erreichen wollen, müssen Sie sie dort finden, wo ihre Aufmerksamkeit liegt: online. Eine Eurostat-Erhebung⁴ zeigt, dass dies auch für ältere Patient:innen gilt: Mehr als 60% der Menschen im Alter von 65 bis 74 Jahren nutzen das Internet regelmäßig, wobei die skandinavischen Länder hier Spitzenreiter sind (hier surfen etwa 80-90% online). Die Zeiten, in denen ältere Menschen nicht wussten, wie man einen Computer bedient, gehören der Vergangenheit an!
Tipp 1: Nutzen Sie dezentrale Patientenrekrutierung, um Ihre Rekrutierungsziele zu erreichen
Bei der dezentralen Patientenrekrutierung werden mehrere Wege genutzt, um direkt infrage kommende Patient:innen zu finden, die nicht an Ihrem klinischen Prüfzentrum registriert sind. Dadurch wird sichergestellt, dass im Falle des Scheiterns einer Methode, z.B. wenn Ihre klinischen Prüfzentren zu wenig Leistung erbringen, die anderen Methoden dies kompensieren können und Sie weiterhin im Zeitplan Ihrer Studie liegen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Sie direkt mit den Patient:innen interagieren können. Das Thema Patientenorientierung wird immer wichtiger.
Mit hoch motivierten und gut informierten Patient:innen als Studienteilnehmer:innen erhöhen Sie die Chancen, diese zu rekrutieren und auch in Zukunft für Studien zu gewinnen. Patient:innen, die während ihrer klinischen Studie positive Erfahrungen gemacht haben, sind auch eher bereit die Ergebnisse mit Gleichgesinnten zu teilen, was die Aussagekraft Ihrer Forschung innerhalb der Patientengemeinschaft erhöht.⁵
Das bedeutet natürlich, dass Sie eine dezentralisierte Kampagne zur Patientenrekrutierung planen und genügend Ressourcen bereitstellen müssen, um online auf Ihre klinische Studie aufmerksam zu machen. Eine solche Kampagne muss interessierte Patient:innen finden, informieren, auswählen und ihnen die Teilnahme an Ihrer klinischen Prüfung ermöglichen. Es reicht also nicht aus, nur das Bewusstsein zu schärfen, z.B. durch einen Zeitungsartikel oder eine Facebook-Anzeige. Sie müssen auch weitere Informationen und eine zuverlässige erste Anlaufstelle für Patient:innen mit Fachleuten bereitstellen, die sich um sie kümmern und ihre Probleme ernst nehmen. Ein solcher Patienten-Infoservice ist von entscheidender Bedeutung. Wenn Sie Ihren Patient:innen nur die Telefonnummer oder die E-Mail-Adresse Ihres Studienzentrums geben, wird selbst der am besten informierteste und motivierteste Patient irgendwann aufgeben, wenn das Zentrum nie erreichbar ist bzw. niemand zurückruft. Und es mag Sie überraschen, aber das kommt häufig vor! Sorgen Sie also dafür, dass solche Situationen vermieden werden, indem Sie über einen speziellen Patienten-Infoservice direkt mit den Patient:innen in Kontakt bleiben. Um Ihre Aufklärungskampagnen und den Patienten-Infoservice miteinander zu verbinden, empfehle ich Ihnen die Einrichtung einer Website für Ihre Studie, die sich speziell an Patient:innen richtet.
Tipp 2: Erstellen Sie eine patientenspezifische Website für Ihre Studie
Unabhängig davon, ob Sie nur Print-Medien, Online-Medien oder eine gesunde Mischung aus beidem verwenden, sollte Ihre Studie immer eine Website haben, auf der interessierte Patient:innen sich informieren können. Erläutern Sie in einfachen Worten, was Sie mit Ihrer klinischen Studie erreichen wollen und wen Sie dafür suchen. Wichtig ist auch, dass Sie direkt sind und die Leser:innen über die Wahrscheinlichkeit informieren, dass sie ein Placebo oder eine Scheinbehandlung erhalten könnten. Schließlich müssen wir uns an die ethischen Richtlinien für Informationsmaterial zu klinischen Studien halten und dürfen den Patient:innen Ihre Studie nicht “verkaufen”, indem z.B. neue Behandlungen versprochen werden. Seien Sie vorsichtig bei Ihren Formulierungen, denn diese müssen von den Ethikkommissionen genehmigt werden. Gleichzeitig müssen diese wirksam genug sein, um das Interesse an Ihrer Studie zu wecken.
Climedo Connect: Hybrid Trials Unleashed: Streamlining Patient Recruitment & Remote Enrollment
Die Verschlankung der Patientenrekrutierung und des Studieneinschlusses ist für eine reibungslose Initialphase in klinischen Studien von zentraler Bedeutung. Erfahren Sie in unserer kostenfreien Webinar-Aufzeichnung mehr darüber.
Eine Website ist auch die ideale Plattform für einen Fragebogen zur Vorauswahl und Qualifizierung der potenziellen Patient:innen. Der Fragebogen muss nicht übermäßig komplex sein – schließlich befinden wir uns hier immer noch auf Patientenebene – und sollte die wichtigsten Ein- und Ausschlusskriterien Ihrer Studie enthalten. Wenn die Patient:innen das Pre-Screening bestehen, können Sie von ihnen oder ihren behandelnden Ärzt:innen weitere Informationen über ihren Gesundheitszustand einholen. Danach können Sie die Eignung entweder gesondert prüfen oder sie direkt an ein teilnehmendes klinisches Prüfzentrum weiterleiten. Auf diese Weise können die Ärzt:innen am Studienzentrum schnell feststellen, ob der Patient tatsächlich in die Studie aufgenommen werden kann oder nicht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Website…
- das Interesse an Ihrer klinischen Studie durch Aufmerksamkeitskampagnen und die Weitergabe in sozialen Medien fördert,
- eine zentrale Plattform ist, um Patient:innen über Ihre klinische Studie zu informieren,
- zur Vorauswahl und Qualifizierung geeigneter Patient:innen genutzt werden kann.
Tipp 3: Nutzen Sie spezialisierte Dienstleister, die Sie bei der Erreichung Ihrer Rekrutierungsziele unterstützen
Auch wenn die Aufgaben auf den ersten Blick einfach erscheinen, können sie sich schnell häufen. So erfordert die Online-Rekrutierung beispielsweise Kenntnisse über das Google-Suchvolumen und die Funktionsweise sozialer Medien. Der Inhalt Ihrer Website muss das Suchverhalten der Nutzer:innen widerspiegeln, z.B. welche Suchbegriffe für Ihre Indikation überwiegend verwendet werden. Zum Beispiel googeln Patient:innen in Deutschland nur 3.600 Mal pro Monat nach “Herpes labialis”, aber über 27.100 Mal pro Monat nach “Lippenherpes”. Mit anderen Worten: Wenn es einen Laienbegriff gibt, suchen Patient:innen immer lieber nach diesem Wort als nach der korrekten medizinischen Diagnose. Am Beispiel von Herpes labialis beträgt der Unterschied in der Patientenreichweite fast das 10-fache! Außerdem müssen Ihre Aufklärungskampagnen und Patientenmaterialien mit den ethischen und unternehmensinternen Richtlinien übereinstimmen.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass für den Pre-Screening Fragebogen Personal erforderlich ist, das sich um die eingehenden vorqualifizierten Patient:innen kümmert. Ein solcher Patienten-Infoservice wertet die Ergebnisse der Befragten aus und wendet sich an möglicherweise infrage kommende Patient:innen, um sie über die weiteren Schritte zur Teilnahme an Ihrer klinischen Studie aufzuklären. Jemand muss die Kontakte zwischen den möglichen Teilnehmer:innen und den klinischen Prüfzentren koordinieren. Wenn einer dieser Schritte nicht sorgfältig geplant und ausgeführt wird, kann es passieren, dass Sie Ihre Ziele nicht erreichen und Ressourcen verschwenden. Wenn Sie jedoch alles richtig machen, werden Sie mit hoch motivierten Patient:innen belohnt, die Ihre klinische Studie unterstützen. Ihre Rekrutierung erfolgt pünktlich und Sie werden den Termin für die Aufnahme des letzten Patienten schnell erreichen.
Dienstleister wie wir, die sich auf die dezentrale Patientenrekrutierung spezialisiert haben, können Ihnen helfen diese gewaltige Aufgabe zu bewältigen. Wir können maßgeschneiderte Lösungen anbieten, die sowohl zu Ihrer Studie als auch zu Ihrem Budget passen. Letztendlich können Sie durch die erfolgreiche Rekrutierung von Patient:innen Ihre Studie durchführen und die Marktzulassung schneller erhalten. Sie tragen dazu bei, dass innovative Arzneimittel den Patient:innen zur Verfügung stehen und helfen damit Leben zu retten. Und das ist eine Sache, für die es sich zu kämpfen lohnt.
¹CSDD Impact Report 2013.
²Bogin V. Contemp Clin Trials 2022.
³Seamans F et Zhu F. Manage Sci 2014.
⁴Eurostat 2021.
⁵Swartz LJ et al. Environ Res 2004.