Versorgung von Patient:innen mit seltenen Erkrankungen optimieren 
DATUM
16. September 2022
AUTOR
Catherine | Associate Director Marketing
In der EU leben bis zu 36 Millionen Menschen mit seltenen Krankheiten. Dazu gehören beispielsweise Multiple Sklerose, Morbus Fabry oder die Huntington-Krankheit. Viele der 6.000 unterschiedlichen und oftmals genetisch bedingten Erkrankungen sind nicht ausreichend erforscht und daher nur schlecht heilbar. Für die Betroffenen bedeutet das eine anhaltend hohe Belastung; denn die generelle Gesundheitsversorgung wird den Bedürfnissen nicht gerecht: Viele Ärzt:innen sind nicht auf die Behandlung solcher Erkrankungen vorbereitet. Deshalb sind klinische Studien oftmals die einzige Möglichkeit für Patient:innen mit seltenen Krankheiten, eine Behandlung zu bekommen.
Allerdings stellen klinische Studien zu seltenen Krankheiten eine größere Herausforderung dar als solche zu häufigen Krankheiten. Die geringe Zahl an in Frage kommenden Teilnehmer:innen, die oft durch die Heterogenität des Patientenpools mit seltenen Krankheiten erschwert wird, verkompliziert die Planung und Durchführung einer “klassischen” randomisierten kontrollierten Studie. Zudem müssen Teilnehmer:innen aufgrund der geringeren Fallzahlen oftmals länderübergreifend rekrutiert werden, was zu einem höheren Reiseaufwand im Studienverlauf führt.
Ein vielversprechender Ansatz ist daher, das Studiendesign stärker zu dezentralisieren und mithilfe von digitalen Tools sowie einer disziplinübergreifenden Ausrichtung effizienter zu gestalten. Wir zeigen Ihnen, wie Sie mit einer interdisziplinären Datenerfassung und digitalen Tools den Studienablauf verbessern und gleichzeitig neue Forschungsimpulse für die Behandlung seltener Krankheiten setzen.
Worum geht’s?
1. Patientenbedürfnisse multidisziplinär ansprechen
2. Mit dezentralen Studiendesigns die Anzahl verfügbarer Studien erhöhen
3. Die Medikamentenforschung mit gezielten Anreizen fördern
4. Mit Big Data die Identifizierung seltener Krankheiten erleichtern
1) Patientenbedürfnisse multidisziplinär ansprechen
Seltene Erkrankungen sind oft schleichend, langwierig und schwer behandelbar. Die Bedürfnisse der Betroffenen an die Betreuung seitens des Gesundheitssystems sind daher besonders hoch. Doch Patient:innen mit seltenen Krankheiten fühlen sich in den Bereichen psychologische Beratung, medizinische Aufklärung, Alltagspflege und Sexualität nicht ausreichend unterstützt. Über 80% der Betroffenen haben Schwierigkeiten, relevante Informationen zu finden. Auf Seiten der Gesundheits- und Pflegedienste fehlt wiederum oftmals die nötige Ausbildung, um diese Krankheiten ausreichend bewerten und behandeln zu können.
Eine bessere Aufklärung und Akzeptanz lässt sich leicht durch eine veränderte Wahrnehmung der Patient:innen erreichen: Anstatt sie zu belehren, werden sie als Expert:innen für ihre Krankheit konsultiert und nehmen eine aktivere Rolle ein. Somit sind sie auch eher bereit, sich in die Studie einzubringen und regelmäßiges Feedback zu geben. Dabei ist es entscheidend, dass spätestens ab der Diagnosestellung mehrere Fachdisziplinen konsultiert und in den Behandlungsprozess einbezogen werden. Der Austausch untereinander sowie eine weitreichende Aufklärung können neben telemedizinischen Angeboten über informelle Netzwerke oder soziale Medien und Datenbanken erfolgen.
2) Mit dezentralen Studiendesigns die Anzahl verfügbarer Studien erhöhen
Es gibt nach wie vor zu wenig klinische Studien für Patient:innen mit seltenen Krankheiten, da diese aufgrund der geringen Fallzahlen oftmals länderübergreifend stattfinden müssen. Dies wird einerseits durch die verschiedenen und kaum abgestimmten nationalen Regularien erschwert. Andererseits sind solche Studien für viele Medikamentenhersteller und Forschungseinrichtungen aufgrund der erschwerten Logistik bei einem Studienaufbau mit verschiedenen Standorten wenig lukrativ.
Den Aufbau und die Bereitschaft zur Teilnahme können multidisziplinäre Initiativen und harmonisierte Regularien deutlich vereinfachen. Eine effiziente Datenerhebung mithilfe digitaler Tools (EDC) sowie die telemedizinische Betreuung der Teilnehmenden sorgen dafür, dass die Studien dezentral durchgeführt werden können. Lange Anreisezeiten oder Präsenzbesuche lassen sich somit stark minimieren, was Hürden senkt und die Teilnahmebereitschaft insgesamt erhöht. Die optimierte Datenkommunikation auf elektronischem Wege ermöglicht wiederum eine Harmonisierung der Regularien, was den interdisziplinären Zugriff und somit auch den Studienablauf vereinfacht.
3) Die Medikamentenforschung mit gezielten Anreizen fördern
Die geringe Prävalenz bei seltenen Krankheiten hat zur Folge, dass die aufwändige internationale Abstimmung und unzureichende Informationsgrundlage der Ärzteschaft die Diagnosestellung erst spät ermöglichen – in Großbritannien kann dies bis zu sechs Jahre dauern. Dass die Anzahl an geeigneten Behandlungsmethoden und Medikamenten überschaubar bleibt und die Forschung sich eher auf weiter verbreitete Krankheiten fokussiert, ist ebenfalls darauf zurückzuführen.
Deshalb haben einige Länder bereits damit begonnen, die Entwicklung geeigneter Arzneimittel gezielt zu vereinfachen und durch Anreize zu fördern. Diese können ein Marktexklusivitätsrecht von bis zu 10 Jahren, Steuergutschriften und Gebührenermäßigungen, beschleunigte Vermarktungsverfahren sowie wissenschaftliche und technische Unterstützung umfassen. Auch die gezielte Umwidmung von bereits etablierten Wirkstoffen und Medikamenten kann im Rahmen von Studien vielversprechende Arzneimittelkandidaten hervorbringen. Bei einer entsprechend beschleunigten Zulassung können diese die Behandlungschancen seltener Krankheiten maßgeblich verbessern.
4) Mit Big Data die Identifizierung seltener Krankheiten erleichtern
Ist die Studien- und Teilnehmerzahl durch die erwähnten Maßnahmen erst einmal erhöht und verbessert worden, dann bieten „Big Data”-Ansätze ein erhebliches Potenzial, um seltene Krankheiten schneller zu identifizieren und sichtbar zu machen. Dies bedeutet jedoch, dass eine sorgfältige Dateneingabe in elektronische Gesundheits- und Sozialfürsorgesysteme unerlässlich ist. Unter diesen Bedingungen kann Big Data ein mächtiges Werkzeug sein, um die Anwendbarkeit von klinischen Studien in realen Szenarien zu verbessern, in denen die Heterogenität der Bevölkerung ein Hindernis darstellt. Allerdings ist dies nicht für alle seltenen Krankheiten eine Option: Wenn die Fallzahl zu gering bleibt, ist eine entsprechende Datenerhebung im großen Stil nicht möglich.
Fazit: Multidisziplinäre Zusammenarbeit und digitale Tools erhöhen Anzahl und Erfolgschancen von klinischen Studien bei seltenen Krankheiten
Dezentrale klinische Studien bieten ein großes Potenzial, die Behandlungschancen von seltenen Krankheiten zu verbessern. Dazu müssen jedoch einerseits der Zugang und die Teilnahmebereitschaft für die Betroffenen verbessert werden; dies gelingt durch innovative Studiendesigns, den Einsatz digitaler Tools und Telemedizin. Andererseits sollten Gesetzgeber die Forschung gezielter fördern und eine internationale Harmonisierung der Zulassungsregularien bei Medikamenten und Studien anstreben. Schlüssel ist dabei eine multizentrische Zusammenarbeit aller Stakeholder. Dies schließt Partnerschaften mit Patientenorganisationen und die Ausbildung einer neuen Generation von Forscher:innen ein, die sich für seltene Krankheiten interessieren.
Sie möchten bei Ihrer nächsten klinischen Studie zu seltenen Krankheiten nichts dem Zufall überlassen? Dann vereinbaren Sie unverbindlich eine Software-Demo mit uns oder sprechen Sie uns an! Wir freuen uns darauf, Sie bei der Digitalisierung Ihrer klinischen Datenerhebung zu unterstützen.