Klinische Studien: Die Sichtbarkeit der Forschung durch visuelle Abstracts erhöhen 

Klinische Studien: Die Sichtbarkeit der Forschung durch visuelle Abstracts erhöhen 

DATUM

16. Februar 2023

AUTOR

Sabine Ditz I GKM

Dr. Ramona Schuetz I GKM

Gastbeitrag von Sabine Ditz und Dr. Ramona Schütz, GKM Gesellschaft für Therapieforschung mbH

Die Publikation wissenschaftlicher Ergebnisse in der Öffentlichkeit ist ein sehr wichtiger Bestandteil der Forschung. Die neue EU-CTR verlangt, dass die Ergebnisse der breiten Öffentlichkeit in einer für Laien verständlichen Sprache kommuniziert werden. Außerdem bieten die sozialen Medien den Forscher:innen großartige Kanäle, um Leser:innen zu gewinnen. Aus diesem Grund sind ansprechende Formate unerlässlich. Visuelle Abstracts (visuelle Zusammenfassungen) bieten eine elegante Lösung für die Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse in klarer und prägnanter Form und können dazu beitragen, regulatorische Anforderungen zu erfüllen. Im Rahmen der EU CTR ist dabei auch die Bereitstellung von für Laien verständlichen Abstracts enthalten. Dieser Artikel gibt Wissenschaftler:innen praktische Ratschläge für die Erstellung visueller Abstracts.

Visuelles Abstract – Definition

Ein visuelles Abstract, auch grafische Zusammenfassung genannt, ist eine grafische Version der Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Artikels. In der Regel besteht es aus einem Bild, das in verschiedene Abschnitte unterteilt ist und den Leser:innen eine leicht verständliche visuelle Zusammenfassung der wichtigsten Punkte einer wissenschaftlichen Veröffentlichung bietet. Dieses Präsentationsformat wurde erstmals von Andrew Ibrahim verbreitet und wird inzwischen von vielen wissenschaftlichen Zeitschriften übernommen (5, 7). Die Umsetzung, der Stil und die Menge des Textes variieren stark zwischen den verschiedenen Fachzeitschriften.

Neben der Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift eignen sich visuelle Abstracts auch zum Teilen in sozialen Medien. Dort können sie an ein breiteres Publikum, z. B. Wissenschaftler:innen aus anderen Fachgebieten und Laien, weitergegeben werden. Außerdem können zusätzliche Leser:innen für die Publikation gewonnen werden. Ein visuelles Abstract kann und soll jedoch nicht die Lektüre der vollständigen Veröffentlichung ersetzen. Ihr Ziel ist es, das Interesse von Kolleg:innen in der Wissenschaft und interessierten Nichtwissenschaftler:innen zu wecken und ihnen die Entscheidung zu erleichtern, ob sie die Veröffentlichung lesen wollen oder nicht (5, 7).

Visuelles Abstract – Gründe und Handlungsempfehlungen 

“Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte”

Dieses Sprichwort mag in die Jahre gekommen sein, aber das macht es nicht weniger wahr. Fotos und Bilder können komplexe Informationen auf begrenztem Raum abbilden und das menschliche Gehirn verarbeitet sie schneller als den entsprechenden Text. Außerdem ziehen sie auf natürliche Weise die Aufmerksamkeit unserer Augen auf sich, verringern die geistige Belastung bei der Verarbeitung komplizierter Informationen und verbessern das Erinnerungsvermögen (6–8). Wissenschaftler:innen sollten diese Eigenschaften bei der Präsentation ihrer Forschungsergebnisse zu ihrem Vorteil nutzen.

Die Einführung alternativer Metriken (altmetrics) zur Messung der Verbreitung einer Veröffentlichung in sozialen Medien, insbesondere Twitter, neben der traditionellen Messung der Auswirkungen (definiert durch den Impact-Faktor der wissenschaftlichen

Zeitschrift und die Anzahl der Zitate) zeigt, wie wichtig es ist, Forschung über neue Informationskanäle zu verbreiten (7, 9). Beiträge mit Bildern führen zu mehr Interaktionen (Klicken, Liken oder Teilen) als Beiträge ohne Bilder, was zu einer größeren Sichtbarkeit bei Forscherkolleg:innen, Angehörigen der Gesundheitsberufe und der breiten Öffentlichkeit führt und folglich die Zahl der Klicks auf den Link zur Veröffentlichung erhöht (3, 7, 9). 

Abbildung Sichtbarkeit von klinischer Forschung erhöhen
Abbildung 1: Beispiel einer Vorlage für ein visuelles Abstract

Ein wichtiger Aspekt des visuellen Abstracts ist die genaue Darstellung der Studienergebnisse. Guidolin et al. hat ein “Visual Abstract Assessment Tool” entwickelt, um die Qualität und Genauigkeit von visuellen Abstracts zu bewerten, und dabei große Qualitätsunterschiede zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften festgestellt. In fast zwei Dritteln der bewerteten visuellen Abstracts wurde das Studiendesign nicht dargestellt und in mehr als der Hälfte wurden irreführende Symbole verwendet (4). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Gestaltung von visuellen Zusammenfassungen in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften standardisiert werden muss, um qualitativ hochwertige Ergebnisse zu gewährleisten und das Risiko von Fehlinterpretationen zu verringern.

Abbildung wie Patienten und Patientinnen am liebsten über medizinische Forschung lesen möchten
Abbildung 2: Beispiel von einem veröffentlichten visuellen Abstracts; Quelle: Bild erstellt von JMIR Publications/Authors; Copyright: JMIR Publications; Lizenz: Creative Commons Attribution (CC-BY)

Eine angepasste Version der visuellen Zusammenfassung könnte auch ein wertvolles Hilfsmittel für die Erstellung der von der EU CTR geforderten Zusammenfassung für Laien sein, die das Studiendesign und die Endpunkte einer Studie in Begriffen zusammenfassen sollte, die für Personen mit eingeschränkter Gesundheitskompetenz leicht verständlich sind (Weitere Informationen: EU CTR: How to write a good Lay Summary of clinical study results). In den entsprechenden Leitfäden wird die Verwendung von Infografiken in Laienzusammenfassungen empfohlen (1, 2). Die Verwendung von Infografiken zur Patientenaufklärung wird bereits mit positiven Ergebnissen, wie einer Verbesserung des Gesundheitswissens, in Verbindung gebracht (9).

Visuelles Abstract – Empfohlener Arbeitsablauf

Abbildung des Design Prozess eines graphischen Abstracts
Abbildung 3: Empfohlene Arbeitsschritte eines visuellen Abstracts, Abbildung basierend auf (9)

Die Grundsätze, die für den Gestaltungsprozess von Infografiken gelten, sind auch auf die Erstellung eines visuellen Abstracts übertragbar (9). Zunächst ist es wichtig, die Richtlinien oder Vorlagen der wissenschaftlichen Zeitschrift zu beachten, bevor man mit dem Gestaltungsprozess beginnt, um unnötige Arbeit zu vermeiden.

1. Bestimmen Sie den Inhalt unter Berücksichtigung des geplanten Zwecks, der Kernaussage und der Zielgruppe. Die Kernbotschaft sollte aus einem Satz bestehen und das visuelle Abstract sollte sich darauf konzentrieren, diese Hauptaussage zu transportieren. Vermeiden Sie Informationen oder Details, die ablenken könnten.

2. Verwenden Sie Stift und Papier, um das Layout zu entwerfen. Wenn Sie ein Layout auf Papier erstellen, bevor Sie sich mit Grafikprogrammen beschäftigen, vermeiden Sie, dass Sie durch Vorlagen eingeschränkt werden, sich in Details verlieren und den Fokus auf die Darstellung der Kernaussage verlieren. Das Layout sollte den Zweck der visuellen Zusammenfassung widerspiegeln. So erfordert beispielsweise der Vergleich der Ergebnisse zweier Studiengruppen ein anderes Layout als die Beschreibung eines neu entwickelten diagnostischen Verfahrens.

3. Wählen Sie die Farben. Empfohlen wird eine helle (und neutrale) Farbe für etwa 60% der Fläche, eine dunkle Farbe für 30% und schließlich eine Farbe zur Hervorhebung des wichtigsten Inhalts (etwa 10%) (60-30-10-Regel). Es gibt verschiedene Ansätze für die Auswahl einer harmonischen Farbpalette, wie z. B. die Auswahl von monochromen oder komplementären Farben. Werkzeuge wie das Adobe-Farbrad können bei der Ermittlung einer geeigneten Farbkombination helfen. Über die vordefinierten Farbpaletten hinaus bietet die Website Zugänglichkeits-Tools, um den Kontrast zwischen Text und Hintergrund und die Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen Farben für Farbenblinde zu prüfen (https://color.adobe.com/).

4. Übertragen Sie das Layout in Ihr bevorzugtes Grafikprogramm und beginnen Sie, es mit den festgelegten Inhalten zu befüllen. Grafiken sollten die bevorzugte Darstellungsform sein; Texte sollten knapp gehalten werden. Zu den grafischen Elementen können Tabellen, Flussdiagramme, Grafiken, Symbole, Illustrationen und vieles mehr gehören. Wählen Sie leicht verständliche, konsistente grafische Elemente und nehmen Sie nur die Elemente auf, die für die Darstellung der Kernaussage erforderlich sind. Halten Sie es einfach.

5. Holen Sie Feedback von der Zielgruppe ein, z. B. von wissenschaftlichen Kolleg:innen oder Laien. Überprüfen Sie, ob die Kernaussage und der Zweck des visuellen Abstracts klar sind, und nehmen Sie gegebenenfalls Anpassungen vor.

Die Übertragung wissenschaftlicher Inhalte in eine visuelle Zusammenfassung erfordert nicht nur wissenschaftliches Fachwissen, sondern auch ausgeprägte Fähigkeiten im Grafikdesign. Daher ist es ratsam, sich während des gesamten Prozesses von entsprechenden Expert:innen beraten zu lassen. Für viele Forscher:innen ist die Gestaltung eines guten visuellen Abstracts eine Herausforderung, aber auch eine Chance, die Aufmerksamkeit auf ihr Forschungsthema zu lenken, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

Visuelles Abstract – Eine Kurzübersicht

Literatur

1 Clinical Trials Expert Group. Good Lay Summary Practice: Version 1; 2021 [cited 2023 Jan 4]. Available from: URL:https://health.ec.europa.eu/system/files/2021-10/glsp_en_0.pdf.

2 European Medicines Agency. Summaries of Clinical Trial Results for Laypersons: Version 2; 2018 [cited 04.01.23]. Available from: URL:https://health.ec.europa.eu/system/files/2020-02/2017_01_26_summaries_of_ct_results_for_laypersons_0.pdf.

3 Griffin C, Aydin A, Dasgupta P. The #VisualAbstract: just a pretty picture? BJU international 2021; 127(1):41–3.

4 Guidolin K, Lin J, Zorigtbaatar A, Nadeem M, Ibrahim T, Neilson Z et al. Evaluating the Accuracy and Design of Visual Abstracts in Academic Surgical Journals. Annals of surgery 2022; 276(5):e275-e283.

5 Ibrahim AM. Use of a VISUAL ABSTRACT to Disseminate Scientific Research: Version 4, 2018 [cited 2023 Jan 4]. Available from: URL:https://static1.squarespace.com/static/5854aaa044024321a353bb0d/t/5a527aa89140b76bbfb2028a/1515354827682/VisualAbstract_Primer_v4_1.pdf.

6 Joshi M, Gupta L. Preparing Infographics for Post-publication Promotion of Research on Social Media. Journal of Korean medical science 2021; 36(5):e41.

7 Ramos E, Concepcion BP. Visual Abstracts: Redesigning the Landscape of Research Dissemination. Seminars in nephrology 2020; 40(3):291–7.

8 Rodríguez Estrada FC, Davis LS. Improving Visual Communication of Science Through the Incorporation of Graphic Design Theories and Practices Into Science Communication. Science Communication 2015; 37(1):140–8.

9 Spicer JO, Coleman CG. Creating Effective Infographics and Visual Abstracts to Disseminate Research and Facilitate Medical Education on Social Media. Clinical infectious diseases : an official publication of the Infectious Diseases Society of America 2022; 74(Suppl_3):e14-e22.

Sabine Ditz I GKM

Sabine Ditz I GKM

Sabine Ditz studierte Pharmazie und Epidemiologie an der LMU München. Nach über drei Jahren Tätigkeit in der Sterilherstellung einer krankenhausversorgenden Apotheke wechselte sie zu GKM Gesellschaft für Therapieforschung mbH. Dort ist sie als Medical Advisor und Health Economics and Outcome Research Specialist mit Schwerpunkt Nutzenbewertung nach § 35a SGB V tätig.

Sabine Ditz I GKM

Dr. Ramona Schuetz I GKM

Dr. Ramona Schütz studierte Pharmazie an der LMU München und promovierte dort im Anschluss am Lehrstuhl für pharmazeutische Chemie. Nach der Weiterbildung zur Fachapothekerin für pharmazeutische Analytik führten die Wege in die klinische Forschung – seit 2020 ist sie als Medical Advisor bei GKM Gesellschaft für Therapieforschung mbH tätig.

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